Shame (2012)

Filmbeschreibung:

Brandon mustert die attraktive Brünette ihm gegenüber in der U-Bahn. Verlegen blinzelt die Frau mit ihren mandelförmigen Augen, strafft ihren Rock. Doch Brandons Blick ist unerbittlich und hart; er verfolgt jede ihrer Bewegungen mit lüsternen aber trotzdem kontrollierten Blicken. Langsam steigt die Frau auf das Spiel mit dem attraktiven Mann ein. Fünf Filmminuten später werden die beiden Sex in einer Abstellkammer einer U-Bahnstation haben und sich danach nie wieder sehen. 15 Minuten später beginnt Brandon in der Werbeagentur, in der er als erfolgreicher Eventmanager tätig ist, das gleiche Spiel mit der neuen, rassigen Arbeitskollegin; einen schnellen Quickie auf der Toilette mit einbezogen. In der Mittagspause holt sich Brandon zu einem Porno einen runter, ehe er sich abends vor dem zu Bett gehen noch fix mit zwei Prostituierten vergnügt… Brandon ist sexsüchtig; sein Alltag ein Kreislauf aus Sex, Sex und noch mehr Sex. So geht das jahrelang, bis schließlich seine suizidgefährdete Schwester Sissy, zu der er den Kontakt abgebrochen hatte, wieder bei ihm auftaucht. Und mit dem Einzug Sissys fangen für Brandon die Probleme an. Zum Trailer

Filmkritik:

Shame endet wie er beginnt. Dies ist kein Spoiler, kann man einen Film wie Shame einer ist, doch gar nicht spoilern. Dafür passiert in Steve McQueens neuestem Streifen einfach zu wenig; die Handlung stagniert bereits in der ersten halben Stunde. Was sich nach herber Kritik anhört, wegen der man dem Film mit drei, vier Pünktchen abstrafen sollte, ist maßgebliches inszenatorisches Mittel, um den Rezipienten in die Welt von Shame, die Welt des Protagonisten Brandon hineinzuziehen. In unserer heutigen Gesellschaft ist Sex in erster Linie positiv konnotiert. Geht es nicht gerade um illegale Prostitution, Pädophilie oder Vergewaltigung, ist Sex nahezu ausschließlich mit positiven Begriffen belegt. Wo E.L. James dilettantisches Soft-SM-Büchlein „Shades of Grey“ scheinbar Tabus bricht und einen gesteuerten neofeministischen Aufschrei nach Befreiung laut werden lässt, muss sich niemand mehr schämen, wenn er mit ständig wechselnden Partner verkehrt. Soziale Netzwerke lassen das eigene Privats- und damit auch die Intimsphäre ständig schwinden. Generell ist an dieser neuen sexuellen Offenheit nichts auszusetzen – warum auch: jeder soll es so treiben wie er mag. Ob er dazu YouPorn, Fesselspielchen, aphrodisierende Austernschwänze oder Tigertangas braucht, das interessiert heute niemanden mehr – und das ist auch gut so. Was aber passiert, wenn die Sexualität zur Obsession wird? Wenn man einfach nicht mehr kann, ohne morgens um zehn nicht schon den ersten Höhepunkt gehabt zu haben? Wenn die Sucht nach Sex den eigenen Lebensrhythmus bestimmt, den Alltag, einfach alles? Dieser heutzutage oft totgeschwiegenen Thematik nimmt sich McQueen gemeinsam mit Vorzeigeschauspieler Michael Fassbender in Shame an. Die Welt von Shame – um wieder zum Ausgangspunkt zurück zu kommen – ist wie unsere. Jeder leibt und lebt, wie es ihm gefällt. Protagonist Brandon jedoch hat sich in dieser Welt aus Schamlippen, Feuchtigkeit und Erektionen verloren. Er braucht stündlich den Kick des Höhepunkts. Sex ist für ihn nur eine mechanische Abfolge von Stößen, die ihn näher an den Orgasmus bringen. Der Höhepunkt als solcher ist auch nur noch sinnentleerter Erschöpfungskatalysator. Die Welt in der Brandon lebt ist trotz all der Frauen, dem guten Geld, das er verdient und der eigenen Wohnung, leer, trist und kalt. McQueen geht hierbei das Wagnis ein, nicht einen reichen abgehobenen Schnösel die Hauptrolle spielen zu lassen, sondern einen einfachen Mittelklassebürger – nahezu jeder könnte Brandon sein. Fassbender, der sich hier mal wieder als Charakterdarsteller hervortut, verkörpert den schlanken Adonis mit der gewohnten Kühle, die dem Deutsch-Iren nun einfach einmal inne wohnt, die aber perfekt zu jener Rolle des Brandon passt. Im Klartext Fassbender macht eigentlich genau das, wie in Prometheus – Dunkle Zeichen und X-Men: Erste Entscheidung – nur diesmal halt nackt und noch einen Tick kälter.

Filme-Blog Wertung: 7/10

Die triste Welt von Brandon wird erst mit dem Auftauchen seiner Schwester durchbrochen. Einer glücklosen Sängerin, die in diversen Nachtclubs auftritt, aber irgendwie nur schwer über die Runden kommt. Sissy ist stark suizidgefährdet, hat zwei Selbstmordversuche bereits hinter sich und ist nahezu genauso sozial verkrüppelt wie ihr Bruder. Während Brandons Eskapismus ihn immer weiter in einen dunklen Sog aus Sex zieht, wählt Sissy das Gegenteil, die Isolation. McQueen entwirft beide Wege jedoch nicht als Aus–, sondern als Irrweg. Mit dem Auftauchen Sissys passiert jedoch etwas mit ihrem Bruder. Die Lust ist noch immer da; der Trieb lässt jedoch nach. Brandons Irritation führt zu noch mehr (Selbst-)Hass. Letztlich endet Shame wie er – oder dieser Interpretationsversuch – begann: Brandon mustert die attraktive Brünette ihm gegenüber in der U-Bahn. Verlegen blinzelt die Frau mit ihren mandelförmigen Augen, strafft ihren Rock…

Filmfazit:

Shame ist ein interessanter Film über ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Regisseur Steve McQueen bedient sich allerdings einer stilisierten Bildsprache und einer gewissen Langatmigkeit, die manchen Zuschauer sicher überfordern dürfte. An den grandiosen Schauspielern dürfte die nach einer Stunde akut eintretenden Müdigkeit auf alle Fälle nicht liegen.

Filmtrailer:

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